Welcher Bus ist besser: Batterie oder Brennstoffzelle?

Martin Schmitz
Martin Schmitz (Quelle: VDV)

10. Juni 2021

„Zumindest zu Beginn wird es teuer, und keine Technologie ist perfekt. Aber einen Tod müssen wir sterben“ kommentiert SPD-Fraktionschef Florian Schardt die Gretchenfrage der emissionsfreien Mobilität: Wasserstoff oder Batterie.

Um ihr auf den Grund zu gehen, haben die Sozialdemokraten im Landkreis München zum Expertengespräch mit Martin Schmitz, technischer Geschäftsführer beim Verband der deutschen Verkehrsbetriebe (VDV) geladen. „Uns war wichtig, jemanden zu finden, der beide Technologien kennt und ihnen vorurteilsfrei begegnet“, so Schardt. Der Handlungsdruck ist hoch. Am 2. August tritt die sogenannte Clean Vehicle Directive der EU auch in Deutschland in Kraft. Für einen Großteil der neu anzuschaffenden Busse im öffentlichen Personennahverkehr gelten dann strenge CO2-Grenzwerte.

Herr Schmitz machte in seinem Vortrag vor allem die Bedeutung der Energieeffizienz deutlich. „Kohle verstromen und damit den Elektrobus betreiben bringt uns nicht weiter.“ Das Kernproblem sei, dass erst sechs bis zehn Prozent des deutschen Gesamt-Energieverbrauchs durch erneuerbare Energien gedeckt sei. Vor diesem Hintergrund haben zumindest auf absehbare Zeit Batteriebusse einen entscheidenden Vorteil, da Wasserstoff aufwendig produziert und dann zurück in Strom umgewandelt werden muss. Die Hersteller, die die Fahrzeuge nach Auskunft von Herrn Schmitz anders als in der Autoindustrie in enger Abstimmung mit den Verkehrsbetrieben entwickeln, sehen es offenbar ähnlich. „Das Angebot an Wasserstoffbussen ist überschaubar.“ MAN äußerte im Herbst letzten Jahres gar die Erwartung, dass die Entscheidung im öffentlichen Personennahverkehr in Richtung Batterie gefallen sei.

Laut Experte Schmitz haben die derzeit am Markt verfügbaren Fahrzeuge eine Reichweite von 200 bis 250km. Damit können rund 60% aller Strecken bedient werden. Die Empfehlung des VDV sei es, mit den kürzeren Strecken in dichter besiedelten Gegenden zu beginnen und das Angebot mit fortschreitender Entwicklung der Batterietechnik auszuweiten. Dass MAN mit einem Elektrobus jüngst über 500km Reichweite geschafft hat, relativierte er zwar: „Das war unter Idealbedingungen.“ Auf Interesse stieß bei den Teilnehmern aber die Prognose des Fraunhofer Institutes, dass bis 2030 mit einer Verdreifachung der Leistungsfähigkeit der Batterien zu rechnen ist. Garchings dritter Bürgermeister Joachim Krause (SPD) wollte wissen, ob man die Batterien nach der geschätzten Laufzeit von sieben bis acht Jahren tauschen und einen gebrauchten Bus damit auf den dann aktuellen Stand der Batterietechnik bringen könne. Dies konnte Schmitz bejahen und verwies darauf, dass die Lebensdauer des Busses deutlich länger sei als die der Batterie.

Landtagsabgeordnete Natascha Kohnen (SPD) wollte wissen, ob sich die Bewertung von Batterie und Brennstoffzelle ändert, wenn man den hohen Rohstoffeinsatz bei der Batterieherstellung berücksichtigt. Martin Schmitz räumte ein, dass die Produktion einer Brennstoffzelle weniger Ressourcen benötigt als die der Batterie, man wegen der geringeren Energieeffizienz aber mehr Windräder und Solarzellen brauche. Wie sich dies in der Gesamtbilanz niederschlage, konnte er nicht sagen, es komme künftig aber ganz entscheidend auf das Recycling der eingesetzten Materialien an. Bis zu 90% der Inhaltsstoffe einer Batterie ließen sich wiederverwenden. SPD-Kreischef Schardt, der vor zwölf Jahren das Ausbildungsportal AZUBIYO.de gegründet hat, verwies im Nachgang auf eine Studie der IG-Metall-eigenen Otto-Brenner-Stiftung, wonach im Batterierecycling hohes Potential für neue, gut bezahlte Arbeits- und Ausbildungsplätze liege, insbesondere in den Bereichen Elektronik, Mechatronik und Chemie.

Esslingens Finanzbürgermeister Ingo Rust lobte die konstruktive und sachbezogene Diskussion: „Über das Thema wird zu oft ideologisch diskutiert.“ Kaum eine deutsche Stadt hat so viel Erfahrung mit Elektrobussen wie Esslingen – seit 77 Jahren kommen dort bereits Oberleitungsbusse zum Einsatz, wenn auch seinerzeit noch ohne ergänzende Batterietechnik. Kritisch hinterfragte Rust, ob Batteriebusse auch auf längeren, hügeligen Strecken sinnvoll seien und stellte die These in den Raum, dass perspektivisch mehrere Systeme parallel zum Einsatz kommen würden. Letzteres bejahte auch Schmitz, insbesondere im Fernverkehr sieht er die Wasserstofftechnologie im Vorteil. Im ÖPNV, wo sich die Strecken planen lassen, warnte er angesichts der hohen Rüstkosten allerdings davor, auf beide Pferde zu setzen. „Die Infrastruktur der Betriebshöfe kostet viel Geld, die Kosten sind bei Wasserstoff und Batterie vergleichbar, es gibt aber keine Synergien.“ Dass die Investitionen in beiden Fällen ohne Fördergelder nicht zu schultern seien, bestätigte auch Rust.

Überhaupt waren die anwesenden Kommunalpolitiker, darunter die Bürgermeister Greulich, Panzer und Zipfel an den Kosten sehr interessiert. Für einen Dieselbus nannte Martin Schmitz Anschaffungspreise von rund 220.000 Euro und Energiekosten von 35 Euro pro 100km. Der Elektrobus ist mit 570.000 Euro Anschaffungskosten deutlich teurer, holt diesen Vorteil mit nur 10 Euro pro 100km über die Zeit zumindest teilweise auf. Wasserstoffbusse sind sowohl in der Anschaffung als auch im Betrieb am teuersten. So koste mit regenerativen Energien hergestellter, sog. grüner Wasserstoff derzeit fast 90 Euro pro 100km, so Schmitz. Preisdämpfend könnte sich auswirken, dass die Menge zunehmen wird, allerdings gebe es mit der Industrie auch einen starken Wettbewerber um das knappe Gut „grüner Wasserstoff“. Eine gute Nachricht hatte Schmitz zum Abschluss der informativen Veranstaltung noch im Gepäck: Jüngst haben sich Bundesrat und Verbände auf eine stärkere Rolle der Länder beim Ausbau emissionsfreier Busse geeinigt. Ob Wasserstoff oder Elektrobus: Die Kommunen dürfen auf finanzielle Unterstützung durch die Bundesländer hoffen.

Teilen