Im Zweifel für den Rechtsstaat!

21. November 2015

Anlässlich der Anschläge in Paris meldete sich der CSU-Kreisvorsitzende und Bundestagsabgeordnete Florian Hahn mehrfach zu Wort:

„Der IS hat uns spätestens jetzt (…) den Krieg erklärt“, „damit werden wir umgehen müssen“ und „im Zweifel ist dies ein Bündnisfall“ erklärt der CSU-Kreisvorsitzende und Bundestagsabgeordnete, Florian Hahn, im Berliner Kurier unmittelbar nach den Anschlägen in Paris und spielt damit auf den Verteidigungsfall der NATO an. Weiter verkündet er auf Twitter, es würde dramatische Folgen haben, wenn die Attentäter über die offene deutsche Grenze eingereist seien. Das stellt sowohl die europäische Reisefreiheit als auch die Aufnahme von Flüchtlingen in Frage. Zuletzt folgt noch – ebenfalls via Twitter - „Einsatz der Bundeswehr im Inneren muss auch legal möglich sein.“

Hierzu erklärt die SPD-Vorsitzende im Landkreis München, Bela Bach:

Es stellt sich die Frage, was Herr Hahn mit seiner Forderung nach einem legalen Einsatz der Bundeswehr im Inneren bezwecken will, denn einen „illegalen“ Einsatz der Bundeswehr kann es nicht geben. Genauer gesagt, geschah dies in der Geschichte der Bundesrepublik genau ein Mal, nämlich 1962 als Bundeskanzler Helmut Schmidt die Bundeswehr nach einer verheerenden Sturmflut zu Hilfe rief. Seitdem wurden aber die Notstandsgesetze erlassen und es folgten einige wegweisende Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts, die den Einsatz der Bundeswehr im Inneren als letztes Mittel in genau zwei Ausnahmefällen erlauben: Bei Naturkatastrophen und besonders schweren Unglücksfällen, wie etwa terroristischen Anschlägen. Mit seiner Twitter-Meldung bezweckt Florian Hahn daher nur eine mehr als fragliche Entwicklung: Die Heranziehung der Bundeswehr zu Hilfstätigkeiten und ihre damit einhergehende Degradierung zum Hilfssheriff. Das kann kaum Sinn und Zweck einer Verteidigungsarmee sein, zumal gerade nach den Anschlägen auf die französische Satirezeitschrift Charlie Hebdo bereits eine Aufstockung der Bundespolizei mitsamt der Schaffung einer speziell für Terroranschläge ausgebildeten Einheit beschlossen worden ist.

Leichtfertig ist es auch, die Ausrufung des NATO-Bündnisfalles herbeizureden. Der NATO-Bündnisfall ist ein Instrument des Kalten Krieges und wurde seit Bestehen der NATO genau ein Mal ausgerufen: Nach den Terroranschlägen am 11.September, als das Taliban-Regime in Afghanistan als Schutzmacht der Terroristen identifiziert worden ist. Was der Krieg in Afghanistan unter Beteiligung der Bundeswehr gebracht hat, wird uns aber immer wieder schmerzlich vor Augen geführt: So viele Menschen wie noch nie sind auf der Flucht, - die Folgen dieser Flucht erleben wir in den letzten Monaten auch in aller Intensität im Landkreis München. Afghanistan ist kein Stück sicherer geworden und der islamistische Terrorismus überzieht Europa mit einer Serie von Anschlägen.

Was François Hollande nach den Anschlägen in Paris aber eigentlich fordert und worauf sich Florian Hahn wohl bezieht, das ist der europäische Bündnisfall, der nicht mit dem NATO-Bündnisfall gleichgesetzt werden kann. Nichtsdestotrotz ist es leichtsinnig und verantwortungslos sich in den Chor all derer einzureihen, die vorschnell vom „Krieg“ sprechen. Stattdessen sollte man sich die Frage nach einer Gesamtstrategie für die Region stellen, die für eine nachhaltige Befriedigung und für menschenwürdige Lebensbedingungen sorgen kann. Anstatt Flüchtlingsströme „aus Sicherheitsgründen“ begrenzen zu wollen, sollte man allen voran den Zustrom von Europäern nach Syrien und in den Irak unterbinden, die sich dem IS anschließen und die die Fluchtursachen für die einheimische syrische und irakische Bevölkerung erst schaffen. Und selbst wenn es zum Bündnisfall käme, auch dann wäre zunächst zu prüfen, ob es ein UN-Mandat geben kann.

Die Aussagen von Florian Hahn zeugen daher nicht nur von Leichtfertigkeit, sondern auch von Verantwortungslosigkeit: Denn wenn man Freiheit, Demokratie und Rechtsstaatlichkeit verteidigen will, dann reicht es nicht, in das allgemeine Säbelrasseln einzusteigen und sich „im Zweifel“ für den Bündnisfall auszusprechen. Im Zweifel steht immer der Rechtsstaat an erster Stelle, damit er nicht für diejenigen geopfert wird, gegen die man ihn eigentlich verteidigen möchte.